Die (fast) perfekte Amiga Emulation - Teil 1

Wenn es um elektronische Projekte geht, dann ist der Raspberry Pi die erste Wahl. Durch die stets steigende Rechenleistung dieser Klein-Rechner eignet sich der Raspi hervorragend für Emulationszwecke. Leider sind die Preise dieser Rechner in die Höhe geschossen, somit muss man sich zweimal überlegen, ob sich die Anschaffung rentiert. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Anleitung kostete der Raspberry Pi 5 mit 8 GB RAM um die 100€, ohne Netzteil, Gehäuse, Lüfter und ohne MicroSD-Karte. Doch wenn man sich auf den Markt umschaut, wird man schnell feststellen, dass es einige Alternativen gibt, zumindest was die Emulation anbelangt. Ziel dieses Projektes ist es, so kostengünstig wie möglich einen PC zusammenzustellen, mit einigen optionalen Komponenten, die ihn zum optimalen Emulations-Rechner machen.


Bevor es losgeht, einige Hinweise (Wichtig):
-    Kopiere keine wichtigen Daten auf diesen Rechner. Bei dieser Anleitung wird die Datensicherheit nicht berücksichtigt.
-    Erstelle ein Backup der Daten, falls vorhanden.
-    Arbeite an der Hardware nur im ausgeschalteten Zustand.
-    Ich übernehme keine Verantwortung für Schäden, die direkt oder indirekt durch diese Anleitung entstehen könnten.

Die Komponenten

Bei der Suche nach den Komponenten konnte ich einen PC für nur 117€ finden, der reichlich Power für die Amiga-Emulation hat.

-    Mainboard Asrock J3455-ITX Mini ITX (CPU inklusive) €59,12
-    PC Tower pjdigitalstore GLOW (Netzteil und CD-ROM-Laufwerk inklusive) €29.99
-    RAM 8GB 1Rx8 PC3L 12800S DDR3L 1600MHz SODIMM €13,89
-    SSD Integral V Series 120 GB Serial ATA III 2.5" €14,76
Preis für alle Komponenten: €117,76

Es muss sich natürlich nicht genau um diese Konfiguration handeln. Die Liste hier oben soll lediglich zeigen, dass man für den Preis eines Raspberry Pi’s einen kompletten PC bekommt (Stand 04/2024)


Des Weiteren können wir noch einige optionale Komponenten hinzufügen, die zwar nicht zwingend benötigt werden, aber das ganze etwas abrundet.

Optionale Komponenten für die Verwendung von echten Amiga-Disketten:

-    Greaseweazle
-    Internes PC Floppy-Laufwerk + Kabel
-    Interner USB-Controller z.B. dieser hier:


Optionale Komponenten für die Verwendung von Amiga Joysticks:

-    Adapter von Amiga Joystick DB9 auf USB

Davon gibt es jede Menge auf dem Markt. Beispielsweise diese hier: Ebay.de

Das Betriebssystem

Zur Auswahl stehen uns die Betriebssysteme Windows und zahlreiche Linux-Distributionen. Da für die Emulation Amiberry verwendet werden soll und wir mit Linux noch mehr Möglichkeiten haben, das System an unsere Wünsche anzupassen, habe ich mich für die aktuelle Version von Ubuntu entschieden.

Die Ubuntu Installation

An dieser Stelle wird vorausgesetzt, dass der Rechner bereits aufgebaut und funktionsfähig ist. Die Installation von Ubuntu Linux ist sehr einfach. Und zwar wird dies mittels eines USB-Sticks erledigt. Zuallererst laden wir das ISO-Image von Ubuntu herunter. Ist dies erledigt, laden wir das Tool Balena Etcher herunter welches für Windows, Mac und Linux verfügbar ist. Ein USB-Stick wird ebenfalls benötigt. Wähle das Ubuntu ISO-Image als Quelle und den USB-Stick als Ziellaufwerk.

ACHTUNG: Stelle sicher, dass es sich um das richtige Ziellaufwerk handelt! Alle Daten auf dem Ziellaufwerk werden unwiderruflich gelöscht!


Starte den Kopiervorgang mit Flash! Nach erfolgtem Kopiervorgang stecken wir den USB-Stick in einen USB-Port des PCs, auf den Ubuntu installiert werden soll. Als nächstes müssen wir im Bios festlegen, von welchem Laufwerk gebootet werden soll. Wie man ins Bios gelangt und wo sich die entsprechende Option befindet, hängt vom jeweiligen Mainboard ab.

Weitere Informationen zum Bios sind unter www.giga.de zu finden.


Bootet der Rechner vom USB-Stick, wählen wir im Boot-Menü die Auswahl "Try or install Ubuntu". Daraufhin folgen die Anweisungen des Installers. Dies dürfte nicht allzu schwer sein. Bei der Frage, wo das Betriebssystem installiert werden soll, sollten wir “die komplette Festplatte” wählen.

ACHTUNG: Alle Daten auf dem Ziellaufwerk werden unwiderruflich gelöscht!

Amiberry installieren

Haben wir Ubuntu erfolgreich installiert, geht es weiter zur Installation von Amiberry. An dieser Stelle wird davon ausgegangen, dass der Rechner über einen Internetzugang verfügt. Wir öffnen das Terminal (Strg+Alt+T) und aktualisieren als erstes das System.

sudo apt update && sudo apt upgrade

Im nächsten Schritt laden wir die Voraussetzungen für Amiberry runter.

sudo apt install cmake libsdl2-dev libsdl2-ttf-dev libsdl2-image-dev libflac-dev libmpg123-dev libpng-dev libmpeg2-4-dev libserialport-dev libportmidi-dev git g++


Und im letzten Schritt laden wir die aktuelle Version von Amiberry herunter und kompilieren den Emulator.

cd ~
git clone https://github.com/BlitterStudio/amiberry
cd amiberry

Mit dem folgenden Befehl wird der Kompiliervorgang gestartet.

make PLATFORM=x86-64

Optional können mehrere Kerne des Prozessors gleichzeitig verwendet werden. Dazu muss lediglich der Parameter -j# hinzugefügt werden. Wenn beispielsweise vier Kerne verwendet werden sollen, dann sieht der Befehl wie folgt aus. Damit sollte die Kompilierung schneller vonstattengehen.

make -j4 PLATFORM=x86-64


Ist alles korrekt verlaufen, kontrollieren wir, ob der Emulator startet.

./amiberry


Die grafische Oberfläche von Amiberry sollte nun sichtbar sein. Dies ist nur ein Test. Dem Emulator fehlen noch einige Dateien, damit er den Amiga emulieren kann.

Kickstart und Disketten-Images

Im nächsten Schritt kopieren wir die Kickstart- und Disketten-Images auf den Rechner. Da wir uns sowieso noch auf der grafischen Oberfläche von Ubuntu befinden, ist dies ein leichtes Spiel.

Woher bekomme ich die Kickstart-Images?

Kickstart-Images sind rechtlich geschützt. Auch wenn sie im Netz zum Download angeboten werden, ist dies nicht legal. Einige legale Wege Kickstart-Images zu beschaffen sind:

-    Erwerb des Amiga Forever Paketes
-    Extrahieren des Kickstarts von einem echten Amiga
-    Erwerb eines Kickstarts (ROM + Image) in diversen Amiga Shops


Woher bekomme ich die Disketten-Images?

Auch dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. Disketten-Images im ADF-Format können unter anderem hier gefunden werden:
-    Aminet.net
-    Amigaland.de

Die Kickstart-Images kopieren wir in den Ordner /home/[USERNAME]/amiberry/kickstarts und die Disketten-Images in den Ordner /home/[USERNAME]/amiberry/floppies.

Grafische Oberfläche deaktivieren/aktivieren

Für die eigentliche Emulation benötigen wir die grafische Oberfläche von Ubuntu nicht. Dennoch ist sie manchmal nützlich, da wir damit viel komfortabler Daten übertragen und herunterladen können. Möchten wir also nur einen Amiga emulieren, deaktivieren wir die grafische Oberfläche. Möchten wir hingegen Daten von einem anderen Datenträger übertragen, aktivieren wir sie wieder. Die grafische Oberfläche lässt sich mit dem folgenden Befehl deaktivieren. Gibt diesen Befehl im Terminal ein:

sudo systemctl set-default multi-user.target


Möchten wir zu einem späteren Zeitpunkt die grafische Oberfläche wieder aktivieren, machen wir dies mit diesem Befehl:

sudo systemctl set-default graphical.target

Im Moment benötigen wir keine grafische Oberfläche. Wir deaktivieren sie also und starten den Rechner neu. Wir gelangen zum Login, wo wir unser Username und Passwort eingeben.

Amiberry automatisch starten

Da wir den Emulator nicht jedes mal manuell starten wollen, sorgen wir mit diesem Schritt, dass Amiberry automatisch nach dem Bootvorgang startet. Als erstes wechseln wir in unser Benutzerverzeichnis und erstellen eine neue Textdatei namens “amiberrystart”.

cd ~
nano amiberrystart.sh

Im Texteditor tippen wir nun das folgende Script ein.

#!/bin/bash
cd /home/[USERNAME]/amiberry
sudo ./amiberry

[USERNAME] steht für den Benutzernamen. In meinem Fall "mingo".


Wir speichern die soeben erstellte Datei mit STRG-O und verlassen den Editor mit STRG-X. Und im letzten Schritt verschieben wir die Datei in das Verzeichnis /etc/profile.d

sudo mv amiberrystart.sh /etc/profile.d

Wenn wir jetzt den Rechner neu starten würden, sollte Amiberry zwar selbstständig starten, aber wir werden nach dem Root-Passwort gefragt. Damit dies nicht passiert, sorgen wir dafür, dass die Passworteingabe gar nicht erscheint. Gib dazu folgenden Befehl ein:

sudo visudo

Es öffnet sich eine Config-Datei in der wir ganz unten die folgende Zeile eingeben:

[USERNAME] ALL=NOPASSWD: /home/[USERNAME]/amiberry/amiberry

[USERNAME] steht für den Benutzernamen. In meinem Fall wäre das “mingo”. Der Befehl sieht bei mir also so aus:

mingo ALL=NOPASSWD: /home/mingo/amiberry/amiberry


Wir speichern die soeben erstellte Datei mit STRG-O und verlassen den Editor mit STRG-X. Wenn wir den Rechner jetzt mit “sudo reboot” neustarten, sollte Amiberry nach dem Login automatisch starten.

Login deaktivieren

Noch eine Kleinigkeit stört hier. Es wäre toll, wenn Amiberry starten würde, ohne sich einloggen zu müssen. Auch hierfür gibt es eine Lösung. Gib folgenden Befehl ein:

sudo nano /etc/systemd/system/getty.target.wants/getty\@tty1.service

Kommentiere die Zeile, die mit “ExecStart=” beginnt aus und tippe darunter die folgende Zeile ein.

ExecStart=-/sbin/agetty --autologin [USERNAME] --noclear %I $TERM

[USERNAME] steht für den Benutzernamen. In meinem Fall wäre das “mingo”. Der Befehl sieht bei mir also so aus:

ExecStart=-/sbin/agetty --autologin mingo --noclear %I $TERM


Amiberry sollte nun ohne Umwege nach dem Bootvorgang starten.

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